Kicker & Matratzensport: Wie fit ist Deutschland

Es stimmt offenbar: Die Deutschen sind Kopfmenschen. Sie wissen, dass Sport gesund ist. Es zu tun fällt ihnen aber schwer. Fitnesstrainer Chris Ley sorgt für Abhilfe. Er weiß, wie man den inneren Schweinehund überwindet und kennt ein paar Geheimtipps, wie sich auch beim Bier in der Kneipe noch ein paar Kalorien verbrennen lassen.

Wie fit ist Deutschland, Chris?

Die Zahl der Übergewichtigen in Deutschland explodiert schon seit Jahren. Jetzt haben schon zwei Drittel der Deutschen zu viel auf den Rippen! Und wir werden nicht nur dicker, sondern gleichzeitig auch immer depressiver. Kaum einer der Büromenschen steht doch noch mehrere Stunden am Tag auf den eigenen Beinen. Das betrifft gut 80 Prozent der Bevölkerung. Und in der Freizeit gibt es auch keinen Ausgleich.

Wenn man mal Sport als Ausgleich nimmt – wie sportlich sind dann die Deutschen?

Noch nicht mal jeder Fünfte treibt regelmäßig Sport. Der Rest sitzt auch nach Feierabend im Schnitt noch drei bis vier Stunden vor dem Fernseher oder Rechner. Bewegungsmangel ist in unserer Gesellschaft Risikofaktor Nummer eins für schwere Erkrankungen. Und warum treiben die Menschen keinen Sport? Angeblich hat keiner Zeit.

Glaubst du, es ist anders?

Natürlich ist das nur eine Ausrede. Den Deutschen sind andere Dinge wichtiger. Sie gehen lieber in den Biergarten oder arbeiten eine Stunde länger. Wir suchen gerne nach Ausreden, um uns nicht so schlecht zu fühlen. Denn eigentlich weiß doch jeder, wie wichtig Sport für den Körper und das eigene Wohlbefinden ist – besonders mit zunehmendem Alter.

Was ist die häufigste Lüge, die dir deine Kunden auftischen?

Die Kunden schreiben bei mir ein Ernährungsprotokoll. Da flunkern vor allem die Frauen. Ich frage mich oft bei meinen Kundinnen, warum sie angeblich so vorbildlich auf ihre Ernährung achten, aber keine sichtbare Veränderung eintritt. Wenn ich dann gezielt nachfrage, ist schon mal die ein oder andere Tafel Schokolade unter den Tisch gefallen. Der vorgeschobene Grund: Lebensqualität. Das ist eine sehr verbreitete Entschuldigung.

Also geht es um Disziplin. Die fällt uns Deutschen doch angeblich so leicht. Ist das wirklich so?

Natürlich kann man ohne die nötige Disziplin seine sportlichen Ziele nicht erreichen. Was wir aber nie vergessen dürfen, ist der Spaß. Meistens treiben die Deutschen rein aus gesundheitlichen Motiven Sport. Das ist ein Trugschluss! Denn wenn du keinen Spaß daran hast, verschwindet die Lust ganz schnell. Und das finde ich so schade. Inzwischen gibt es doch so viele unterschiedliche Sportarten, da muss doch für jeden etwas dabei sein. Und wenn sich die Couchpotatoes eine Fitness-DVD für zu Hause besorgen.

Und was ist mit denen, die dann doch lieber im Biergarten einen heben gehen? Hast du Tipps für „Kneipensport“?

In der Kneipe ist es nie verkehrt, sich am Kicker zu treffen. Wenn du am Kickertisch stehst, bewegst du dich und bist gleichzeitig konzentriert. Durch die ständige Konzentration verbrennst du viel Energie, ähnlich wie beim Schach. Gleichzeitig geht das Kickern in die Arme. Und dadurch, dass du leicht nach vorne gebeugt stehst, trainierst du auch die Rückenmuskulatur. Das geht von der Lendenwirbelsäule, über den Arsch bis in die Beine rein. Das ist immerhin ein Anfang. Sport im Bett ist noch effektiver!

Wie effektiv ist denn der Matratzensport?

Das ist mein absoluter Geheimtipp! Eine Minute Spaß zu zweit ist vergleichbar mit drei Minuten Joggen. Kommt natürlich immer drauf an, wie engagiert man bei der Sache ist – sowohl beim einen als auch beim anderen. Im Prinzip ist es also effektiver, jeden Tag Sex zu haben, anstatt draußen laufen zu gehen. Um Längen besser als dieses ewige Rennen ins Fitnessstudio ist es sowieso.

Unsere Fitnessstudios sind doch aber gerade so erfolgreich wie nie zuvor?

Richtig, 7,6 Millionen Deutsche sind momentan Mitglied. Ich finde diese Zahl allerdings alarmierend. Hinter den Fitnessstudios stecken doch oft nur riesige Marketing-Strategien. Sie geben uns ganz gezielt Schönheitsideale vor, wie wir zu sein haben. Das Schlimme: Es wird vor allem unter dem Thema „Gesundheit“ verkauft. Und wir Deutschen haben ein unheimlich großes Sicherheits- und Gesundheitsbedürfnis. So gehen Viele mit dem falschen Wissen ins Fitnessstudio, etwas für ihre Gesundheit zu tun.

Also sind Fitnessstudios ungesund?

Sehr viele Studios sind Experten in Sachen Marketing, das war‘s dann aber auch. Wir erhoffen uns einen guten Trainer, der uns gut betreut und einen sinnvollen Trainingsplan schreibt. In Wahrheit sieht das aber ganz anders aus, besonders bei einigen großen Ketten. Da werden zwar zu niedrigen Preisen Räumlichkeiten und Geräte zur Verfügung gestellt, aber wo ist das Personal? Es gibt höchstens einen Hausmeister oder eine Putzfrau. Das hat doch nichts mehr mit Gesundheit zu tun!

Was wäre eine gute Alternative?

Definitiv eine Mitgliedschaft in einem Sportverein. Leider sind Vereine einfach nicht mehr cool. Fitnessstudios sind da mehr am Lifestyle der Menschen dran. Wenn ich mich im Handball-Verein anmelde, habe ich direkt im Hinterkopf, dass ich da drei Mal die Woche abends hin muss. Und am Wochenende gehen noch ein paar Stunden für Turniere drauf. Da ist das Fitnessstudio natürlich zeitökonomischer und einfacher in den Alltag zu planen. Alles, was heutzutage nicht auf den ersten Blick flexibel erscheint, wird leider von uns Deutschen schnell verworfen.

Wann ist bei dir der Punkt erreicht, an dem dir das Training zu viel wird?

Ich mache gerne intensiv Sport, sonst hätte ich das nicht zu meinem Lebensinhalt gemacht. Um aus dem Quark zu kommen, setze ich mir jedes Jahr ein neues Ziel. Letztes Jahr wollte ich mit Paddeln über den Rhein einen Weltrekord aufstellen. Und bei dieser Challenge bin ich an den Punkt gekommen, wo ich gesagt habe: Ey Leute, was soll der ganze Quatsch, ich hab die Schnauze voll, lasst uns hier abbrechen.

Was war passiert?

Ich war zum ersten Mal genau an dem Punkt, den ich sonst nur von meinen Kunden kenne. Wenn du an etwas arbeitest und arbeitest und irgendwann keinen Fortschritt mehr siehst, geht die Motivation flöten. Erst war es in dieser Woche auf dem Rhein drei, vier Tage lang extrem windig. Dann haben irgendwelche Idioten noch mein Brett geklaut und alles erschien unnötig anstrengend. Als dann der Gegenwind so stark wurde, dass ich mit meinem Brett in der Strömung rückwärts abgetrieben bin, habe ich angefangen zu weinen. Sowas ist dann nicht nur ein Stillstand, sondern ein Rückschlag. Da konnte und wollte ich einfach nicht mehr.

Hast du aufgegeben?

Keine Ahnung, welche höhere Macht mich hat weitermachen lassen, aber ich habe die 1.200 Kilometer schließlich nach neun Tagen geschafft. Und das Erfolgserlebnis hat mich alle Anstrengung zuvor vergessen lassen.

 

Interview: Lilian Schmitz

Chris Ley ist passionierter Sportler und arbeitet seit zehn Jahren als Personal Trainer und Ernährungsberater. Unter dem Motto „Erfolgreich auf der Wellte deines Lebens“, zu dem er auch ein Buch verfasst hat, bietet er außerdem Motivationstrainings an, die helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden.  Im Jahr 2013 paddelte er stehend von der Quelle bis zur Mündung 1.200 Kilometer über den Rhein. www.chris-ley.de


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